In den letzten 15 Jahren haben dänische Patienten mehr als 260.000 patient-reported outcome measures (PROMs) sowie patient-reported experience measures (PREMs) ausgefüllt. Das sind in Summer mehr als 13,5 Millionen einzelne Fragen.1
Heute sind PROMs ein fester Bestandteil der Routineversorgung für 35 Krankheitsbilder in zehn verschiedenen Branchen der Medizin in Dänemark. PREMs finden ebenfalls breite Anwendung.1 Wenige andere Länder haben PROMs und PREMs so flächendeckend und konsequent umgesetzt wie dieser skandinavische Spitzenreiter: Hier unterstützen sie Patientenmonitoring, gemeinsame Entscheidungsfindung (shared decision-making) und individualisierte Versorgung.
Aber was genau steckt hinter diesem Erfolg? Welche Strategien lassen sich aus dem dänischen PROMs- und PREMs-Modell für die effiziente und, noch wichtiger, nützliche Umsetzung von Patientenbefragungen in der klinischen Routine ableiten?
Ein roter Faden
Beim näheren Hinsehen zeigt sich ein roter Faden bei der dänischen Verwendung von PROMs und PREMs.
Dieser basiert auf der konsequenten Einbeziehung von Patienten sowie der systematischen und nahtlosen Integration von diesen Patientenbefragungen in die klinische Routine über eine interoperable technische Infrastruktur.
Wir haben diesen Trend in vier Strategien für die erfolgreiche Umsetzung von PROMs und PREMs aufgegliedert.
1. Nationale Gesetzgebung, die die Umsetzung von PROMs und PREMs fordert und fördert
Michael E. Porter prägte bereits im Jahr 2006 den Begriff der value-based healthcare. Porter verstand darunter die Verbesserung der Patientenergebnisse pro Kosteneinheit. Die dänische Regierung war eine der ersten weltweit, welche sich dieses Prinzips annahm und als Grundsatz für die Leistungserbringung und deren Vergütung proklamierte. Die dänische Beziehung zu PROMs und PREMs ist letztendlich auf das 2005 erlassene dänische Gesundheitsqualitätsprogramm zurückzuführen. Die dänische Gesundheitspolitik Mitte der 2010er Jahre war der Auslöser für die Priorisierung von PROMs auf der nationalen Gesundheitsagenda. Mehrere Qualitätsprogramme und Initiativen erschienen in dieser Zeit zur Realisierung einer nutzenorientierten Gesundheitsversorgung (value-based healthcare). Deren Kernziel war es, die Patientenzentriertheit und nachhaltige Ressourcenverteilung im Gesundheitswesen zu fördern.
Während diese Programme die Grundlage für die nutzenorientierte Versorgung in Dänemark geschaffen haben, beschleunigte die 2017 erlassene Transparenz-Reform die umfassende Standardisierung und Implementierung von PROMs. Als umfangreiches Abkommen (und Beispiel des gelungenen gesundheitspolitischen Föderalismus) auf nationaler, regionaler und kommunaler Ebene bekräftigte die Reform die Position von PROMs in der dänischen Gesundheitsversorgung, indem sie die Bildung von einer sektorenübergreifenden Lenkungsgruppe sowie sogenannten klinischen Koordinationsgruppen vorgesehen hat.
Aufgabe der klinischen Koordinationsgruppen ist es, darüber zu entscheiden, wie, wann und wo PROMs in Versorgungspfade Eingang finden. Dabei sind alle relevanten Akteure – Patienten, Gesundheitspersonal und Gesetzgeber – vertreten. Patienten bewerten Fragebögen nach ihrer Verständlichkeit und Relevanz, und medizinisches Personal überprüft, inwiefern die Fragebögen für die Routineversorgung geeignet sind.
2. Einbeziehung von Patienten bei der Erstellung und Auswahl der Fragebögen
Wenn Patienten den Nutzen der Fragebögen für ihre eigenen Behandlungsverläufe nicht erkennen, drohen niedrige Rücklaufquoten.
Dänemark hat diese Problematik weitgehend gelöst, indem es Patienten zu Mitwählern und -erstellern von PROMs und PREMs macht.
In den oben genannten klinischen Koordinationsgruppen sowie in einzelnen Kliniken nehmen Patienten eine aktive Rolle bei der Erstellung, der Bewertung und der Validierung von PROMs und PREMs ein.
Zum Beispiel haben Patienten PREM-Fragenbögen bei einer Untersuchung zur Behandlungsqualität bei Herzerkrankungen aus dem Jahr 2017 mitentwickelt. Dadurch war eine ganzheitliche Berücksichtigung der Versorgungspfade von der ersten Sprechstunde bis hin zur Entlassung sowie der für die Pateinten am relevantesten Care-Attribute, wie z.B. Kommunikation mit medizinischem Fachpersonal und psychosoziale Aspekte, möglich.2 Eine ähnliche Studie aus dem Jahr 2018 involvierte psychiatrische Patienten in einen iterativen Mitgestaltungsprozess: Sie nahmen an Workshops und Feedbackrunden zur Datenerhebungsmethode teil, um höchstrelevante PROM-Fragebögen zu entwickeln.3
Beide Studien identifizierten bessere inhaltliche Validität und Reliabilität – zwei wichtige psychometrische Eigenschaften bei PROMs und PREMs, die die Relevanz und Reproduzierbarkeit der Ergebnisse mitbestimmen4 – bei Einbeziehung der Patienten.
Die UNITY-Plattform ist eine sofort einsatzbereite, integrierte PROM- und PREM-Software-Lösung.
3. Zugänglichkeit und Umsetzbarkeit der Daten durch Integration
Eine weitere dänische Strategie, um Patienten sowie Ärzte zu engagieren, ist die Gewährleistung der Zugänglichkeit und Umsetzbarkeit der PROM- und PREM-Daten. Das gelingt am besten, wenn man flächendeckend dieselbe, nutzerfreundliche Software dafür einsetzt.
Aktuell benutzen Ärzte und Patienten für 28 verschiedene Krankheiten eine integrierte Software-Lösung „AmbuFlex.“ In Mitteldänemark benutzten mehr als 24.000 Patienten über 18 verschiedene Krankheitsbilder hinweg diese Software-Lösung, um PROMs auszufüllen.5 Im Wesentlichen ist AmbuFlex eine modulare elektronische PROM (ePROM)-Lösung, die die systematische und automatisierte Integration von PROM -Daten in die elektronischen Patientenakten ermöglicht.
In vielen Krankenhäusern kann das medizinische Personal auf die PROM-Ergebnisse direkt aus dem Krankenhausinformationssystem (KIS) zugreifen. Farbkodierte Ergebnisse visualisieren mögliche Änderungen im Gesundheitszustand des Patienten. So können Ärzte relevante gesundheitliche Aspekte in der Sprechstunde auf Basis der Ergebnisse konzentriert aufgreifen, während Patienten eine weitere Möglichkeit zur Kommunikation von schwierigen oder sogar tabuisierten Themen haben.
Das dänische nationale Register verlangt die Übermittlung bestimmter PROM-Daten. Ein Nachteil des derzeitigen ePROM-Systems ist, dass das Gesundheitspersonal diese Daten noch manuell in das Register eingeben muss, was Zeit und Geld kostet und die Datenqualität verringert.
4. Künstliche Intelligenz für die Auswertung und Interpretation der erhobenen PROM-Daten
An einem der 35 Krankheitsbilder soll der persönliche Wert für den Patienten und der ökonomische Wert für das Gesundheitssystem beispielhaft dargestellt werden. So schließen die mittels PROMs gesammelten Informationen bspw. in der Behandlung von Epilepsie eine klar identifizierte Lücke in der Versorgung.
Bei epileptischen Patienten wurde beobachtet, dass sie sich teilweise unnötiger und kostenintensiver ambulanter Versorgung unterzogen. Durch regelmäßige Patientenbefragungen versprach man sich, die Versorgung bedarfsgerechter zu steuern.
Inzwischen werden PROMs für dieses Krankheitsbild mithilfe eines Algorithmus analysiert, der:
- Ergebnisse interpretiert.
- Feststellt, ob Patienten weitere ambulante Krankenhausbesuche benötigen.
- Patientenbedürfnisse und Versorgungsdringlichkeiten identifiziert.
Eine Studie aus dem Jahr 2015 zeigte, dass sich die Anzahl der unnötigen persönlichen Konsultationen bei ambulanten Epilepsiepatienten durch den Einsatz von AmbuFlex um 48% verringerte.
Auf Basis der Ergebnisse teilt der Algorithmus die Patienten in verschiedene farbliche Gruppen je nach Dringlichkeit des ambulanten Krankenhausbesuchs ein. Roten Patienten wird ein zeitnaher Sprechstundentermin empfohlen. Gelbe Patienten werden vom Krankenhauspersonal angerufen, um Symptome zu besprechen. Grüne Patienten können nach eigenem Ermessen auf einen Krankenhausbesuch verzichten, bis sie ihren nächsten planmäßig verteilten Fragebogen ausgefüllt haben. So kann die Behandlung patientenzentriert und individuell gestaltet werden, während obendrein unnötige Krankenhausbesuche und damit assoziierte Kosten vermieden werden.
Die UNITY-Plattform von RAYLYTIC
Die UNITY-Plattform teilt viele Funktionen mit der in Dänemark, erweitert diese aber auch. Die UNITY-Plattform ist eine umfassende, integrierbare ePROM-Lösung, die die Kommunikation mit Patienten und die Alarmierungen von medizinischem Fachpersonal vollständig automatisiert. PREMs können nach bestimmten, im Krankenhausinformationssystem (KIS) hinterlegten Patientenattributen individualisiert erstellt. Außerdem automatisiert sie den Datenexport an verschiedene Register, z.B. das Schweizerische Implantatregister SIRIS.
Lesen Sie mehr zu unserer PROMs und PREMs-Lösung hier.
- Schougaard, LMV (2020): Patient-reported outcome measures in remote outpatient follow-up. PhD Dissertation. Aarhus University.
- Zinckernagel, L. et al. (2017): How to measure experiences of healthcare quality in Denmark among patients with heart disease? The development and psychometric evaluation of a patient-reported instrument. Zinckernagel L, et al. BMJ Open.
- Kristensen, S. et al. (2018): Conceptualizing patient-reported outcome measures for use within two Danish psychiatric clinical registries: description of an iterative co-creation process between patients and healthcare professionals. Nordic Journal of Psychiatry, 72:6, 409-419.
- COSMIN (2018): COSMIN methodology for systematic reviews of Patient-Reported Outcome Measures (PROMs). User Manual.
- Regionmidtjylland www.rm.dk/sundhed/faginfo/center-for-telemedicin/in-english2/projects2/ambuflex-and-pro/